Zwischen den Steinen ein blühendes Reis

Geschichten zur weihnachtlichen Besinnung

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Ein junger Mensch schrieb der Autorin einmal kurz vor Weihnachten: „Morgen beginnt Weihnachten, mit dem Blick nach vorn. Weihnachten heute, in einer gar nicht versöhnten oder begnadeten Welt.“
Ja, Weihnachen kommt, alle Jahre wieder, festgeschrieben im Kalender einer weitgehend abendländisch geprägten Welt: traditionelle Festtage, verbunden mit dem Jahreswechsel. Familientreffen, oder auch Tage schmerzlicher Einsamkeit, Erinnern von – oder Sehnsucht nach – Kinderseligkeit und Tannenduft. Oft hilfloses Bemühen unter Erwachsenen in einer überalternden Gesellschaft.
Doch da sind auch andere, immer mehr werden es, die den Mut haben, sich anders zu erinnern, die den Schmerz zulassen im Gedanken an befohlene Freude über ein falsches Geschenk, an Kinderängste vor schwärendem oder offenem Familienstreit, vor betrunkenen Vätern, weinenden Müttern, bockigen Halbwüchsigen, gerade während solcher Tage verordneter „Liebe“. Und viele von denen, die mutig genug sind, Angst zu erinnern, würden in ihrem späteren Leben dies Fest am liebsten aus ihrem Kalender streichen.
Dennoch kommt es wieder, dieses von vielerlei Gefühlen überladene Fest, und wer den Blick nach vorn gerichtet hat, weiß, dass es alle Jahre wiederkommt, denn auch das Ausgestrichene wird sichtbar bleiben.
Auch die Menschen, die in die Legenden um die Geburt Christi hineingewoben sind, haben in einer unversöhnten Welt gelebt und wenn sie nach vorn geblickt haben, fürchteten sie sich sehr. Deshalb steht vor allem, was ihnen geschah, zuallererst die Aufforderung: „Fürchtet euch nicht.“
Sie gilt auch für uns, wenn wir uns vor der Wüste fürchten, in die uns das Erinnern an Kinderseligkeit oder an Kinderängste in der Adventszeit so leicht hineinführt.
Aufgefordert, uns auch in der Wüste nicht zu fürchten, könnten wir darin die Spuren finden, die Der dort hinterlassen hat, dessen Geburt Anlass wurde zum gefühlsüberladenen Fest. Spuren der Versöhnung – wir könnten sie finden, weil Er allezeit, zeitlos, Blinde sehend machen kann.
Tastend auf jenen Spuren haben sich mir mit den Jahren, als Beitrag zu verordneten Advents- und Weihnachtsfeiern, die folgenden Texte geformt. Sie möchten vor allem auf jenes „Fürchtet euch nicht“ verweisen, und sie wenden sich an alle, die Weihnachtsseligen und die Weihnachtslosen.
Der junge Mensch, der mir geschrieben hat, fährt fort in seinem Brief: „Weihnachten heute, in einer gar nicht versöhnten oder begnadeten Welt. Und trotzdem, wegen dem, ist es gut, „zur Welt zu kommen“. Am 24. Dezember wird für mich immer weniger Weihnachten, an den restlichen dreihundertvierundsechzig Tagen dafür immer mehr.“