Zwischen Dichtern und Denkern, Richtern und Henkern

Auf der Suche nach deutscher Identität

von

Darstellungen deutscher Identität werden seit jeher von extremen Gegensätzen geprägt: einerseits von der ‚Volk-der-Dichter-und-Denker‘-Vorstellung, die von weltberühmten Geistesgrößen wie Goethe und Schiller, Kant und Hegel getragen wird, andererseits von Begriffen wie Obrigkeitsstaat und Unterdrückung – dafür stehen Preußen, das Kaiserreich und vor allem das Dritte Reich.
Die Logik des ‚deutschen Sonderwegs‘ – der Hervorhebung antidemokratischer Traditionen und Ausgrenzung Deutschlands aus dem Kreis der klassischen Demokratien wie Großbritannien, USA und Frankreich – wirkt nach wie vor schlüssig und spukt noch durch viele Darstellungen deutscher Identität. Und doch gibt es ein anderes Deutschland, in dem sich die Zivilgesellschaft heutiger Prägung seit dem Zeitalter der Aufklärung verblüffend deutlich manifestiert hat.
Dieses Deutschland zeichnet sich nicht nur durch bedeutende Traditionen der Liberalität, Zivilcourage und Emanzipation aus; überraschenderweise ist es sogar das Pionierland der Nachhaltigkeit. Namhafte Vertreter dieses anderen Deutschland sind beispielsweise Vorkämpfer für Bürger- und Frauenrechte aus dem 18. und 19. Jahrhundert, wie Johann Jacoby und Theodor Gottlieb von Hippel, aber auch Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts wie Gustav Heinemann und Elisabeth Selbert.
Hinzu kommen Regionen wie Baden, dessen liberales Vermächtnis die heutige Bundesrepublik nachhaltig bereichert hat. Und auch das oft gescholtene Kaiserreich steht nicht nur für Kulturpessimismus und nationale Hybris, sondern weist viele Merkmale eines sozialen Rechtsstaates aus.
Kaevan Gazdar gelingt mit diesem außergewöhnlichen Buch eine fundamental neue Sicht auf deutsche Identität, denn er fragt nicht, was ‚typisch‘, sondern, was auch deutsch ist.

it einem Geleitwort von Hans-Jochen Vogel.