Mit ihrem ersten Roman gelingt Ilona Jerger ein ruhiges, melancholisches Bild des gealterten Charles Darwin. Als Berühmtheit ungewollt vor alle möglichen Karren gespannt, von seiner tiefgläubigen Frau unter Druck gesetzt und von diversen Zipperlein geplagt, zieht er sich zurück, um den Regenwurm zu erforschen. Zeitgleich zieht er Bilanz, sinniert über den Sinn und Zweck seines Forschens. Ein gern gesehener Gesprächspartner ist dabei sein Hausarzt Dr. Beckett, ein angesehener Mediziner und angenehmer Gesellschafter.
Der unaufgeregte Ton und die langsame Entfaltung des Geschehens haben mich ein wenig an Kehlmanns „Die Vermessung der Welt“ denken lassen, das ich zu meinen Lieblingsbüchern zähle.
Die Charaktere fand ich glaubwürdig gezeichnet, insbesondere auch Darwins Frau Emma, die zerrissen wird von der starken Liebe zu ihrem Gatten, ihrem tiefen Glauben und der Angst ihren ungläubigen Mann nach dem Tode nicht wiedersehen zu dürfen. Aber auch Dr. Beckett, aufgeschlossen und nach Wissen strebend, ist ein durchaus interessanter Mann. Schlußendlich ist er auch verantwortlich für das Zusammentreffen von Darwin und Marx.
Und hier kommen wir zu dem für mich unverständlichen Teil des Romans. Karl Marx wird anfänglich ähnlich umfassend eingeführt wie Darwin, es scheint alles auf das Treffen zuzulaufen und dann läßt die Autorin Marx mehr oder weniger im Regen stehen und sein Part verläuft im Sande. Das ist schade. Denn auf der einen Seite hätte es Marx‘ nicht bedurft, um Darwins letzte Jahre zu beschreiben und auf der anderen Seite wäre es spannender gewesen, hätte man die Beiden zu Gegenpolen aufgebaut. So nun aber wird Marx immer mal wieder ins Gedächtnis des Lesers gebracht, sein Tun bleibt aber für das Geschehen irrelevant. Was also genau macht er in Darwins Garten und wieso ist gerade der Schwerpunkt eines Buches sein am wenigsten ausgearbeiteter Part? Ein interessantes Gedankenspiel hätte man ja durchaus daraus entwickeln können, denn zu einer realen Begegnung ist es nie gekommen. Auf der einen Seite der unermüdliche Forscher und Weltentdecker, auf der anderen Seite der Schreibtischphilosoph und Denker, das hätte Potenzial gehabt.
So kann ich abschließend nur sagen, dass mir Stil, Sprache und Thema des Romans grundsätzlich sehr gut gefallen haben, mir aber eine rote Linie fehlt (im wahrsten Sinne des Wortes) und das Ganze mich deshalb etwas uninspiriert zurück gelassen hat.
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