Jahrelang blieben meine Schallplatten in Umzugskartons. Ich hatte keinen geeigneten Schallplattenspieler mehr und auch nicht den rechten Platz. Nach einem Umzug ist das nun erfreulicherweise anders. Die erste Stimme, die auf dem neuen Gerät erklingen durfte, war die eines kleinen Sängers mit einer unfassbar großen Stimme: Josef Schmidt. Und unfehlbar stellt sich ein, was mancher als kitschig betrachten mag, das Gefühl, welche Gnade es ist, so eine Stimme hören zu dürfen. Das war schon immer so und es hat sich scheinbar nicht geändert.
Als nun der Diogenes Verlag Hartmanns Buch über Schmidt ankündigte, war sofort klar, dass ich es lesen würde. Schon sein Roman über Lydia Welti-Escher gefiel mir sehr gut und seltsamerweise hatte ich mich mit Schmidts Leben bisher nur wenig beschäftigt. Ich wußte nur Eckdaten: den frühen Tod auf der Flucht vor den Nazis, die Probleme mit seiner Größe auf der Bühne, sein Frauen“verschleiß“.
Lukas Hartmann schreibt vornehmlich über die letzten Wochen Josef Schmidts. In Einschüben erfahren wir etwas über seine Jugend in der Bukowina, über erste Gesangeserfolge in der Synagoge, dann folgt der weltweite Ruhm, den er schlußendlich so bitter mit seinem Tod bezahlen muss. Nach Frankreich ist er zunächst geflohen und möchte nun, da es im besetzten Land nicht mehr sicher ist, über die Grenze in die Schweiz. Die Grenzen sind allerdings für Flüchtlinge geschlossen, ganz speziell für jüdische Flüchtlinge, denn Antisemitismus ist auch in der Schweiz nicht unbekannt. Außerdem quält die Schweizer die Angst um ihren Lebensstandard und natürlich auch vor Hitlers Reaktion. Dank eines Schleppers gelingt es Schmidt dennoch, er kommt in ein Schweizer Flüchtlingslager. Und dort statuiert man ein Exempel an dem müden, kranken Mann. Sein Status als Berühmtheit dürfe ihm nicht zum Vorteil gereichen, er sei zu behandeln wie jeder andere auch. Sein sich zunehmend verschlechternder Gesundheitszustand wird ignoriert, bis Schmidt im Lager elendiglich verreckt. Einen anderen Ausdruck finde ich nicht dafür.
Erschreckend an dem Buch ist nicht nur der letzte Weg des großen Sängers, sondern es sind auch die Parallelen zur Gegenwart, die schaudern machen. Die Argumente gegen die Aufnahme von Flüchtlingen haben sich nämlich in all der Zeit keinen Deut geändert, sind nur alter Wein in neuen Schläuchen. Heute lesen wir mit Entsetzen, dass jüdische Flüchtlinge über die Grenzen zurückgeschickt wurden, zurück in den sicheren Tod. Es bleibt zu hoffen, dass spätere Generationen genauso mit Unverständnis auf mangelnde Hilfeleistung im Mittelmeer und an anderen Brennpunkten schauen. Und vielleicht aus unseren Fehlern lernen. Uns ist das ja scheinbar nicht gelungen.
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