Der Kaukasus – Jeder gegen jeden

Kaukasus | Stephan Orth Gulliver Theis besprochen von Julchen am 11. Februar 2019.

Bewertung: 5 Sterne

Lasst euch auf eine Reise mitnehmen, die entlang der 1100 Kilometer langen Bergkette von Russland über Georgien und Dagestan bis nach Aserbaidschan führt.

Schon das Cover des Buches zeigt die Gegensätze des Kaukasus. Oben ist eine Großstadt mit auffallend moderner Architektur und flanierenden Menschen zu sehen, auf der unteren Seite ein einfaches Dorf inmitten einer Bergregion – ein Bild, welches sich vermutlich seit Jahrzehnten nicht verändert hat, während oben das Leben zu pulsieren scheint.

Der Kaukasus ist von Konflikten geprägt, dessen Wurzeln teilweise weit in der Vergangenheit liegen. Ein friedliches Miteinander zwischen den Nachbarregionen ist unmöglich, zu groß sind die Unterschiede in Religion, Politik oder den Vorstellungen von Unabhängigkeit und Macht. Auf der anderen Seite sind es aber auch genau diese Unterschiede, die den Kaukasus kulturell so vielfältig und interessant machen.

Die Route führt die Gruppe um die Autoren Stephan Orth und Gulliver Theis vom Nordwesten in den Südosten des Kaukasus. Die Reise beginnt in Sotschi, wo es scheint, als hätte die Stadt mit den olympischen Winterspielen im Jahr 2014 ihren geschichtlichen Höhepunkt gehabt. Weiter geht es zum Beispiel nach Akarmara, eine Stadt, die von georgischen Truppen belagert wurde und heute nur noch einen Bruchteil ihrer einstigen Bevölkerung beheimatet. Hier holt sich die Natur zurück, was die Menschen sich genommen haben und das verleiht Akarmara den Hauch einer postapokalyptischen Geisterstadt. Die Reise endet in Baku, in Aserbaidschan, wo es mehr um Schein als Sein geht, denn die teuren Prachtbauten der Stadt spiegeln in keinster Weise das bescheidene Leben der Einheimischen wider.    

Die Autoren berichten von den Widrigkeiten ihrer Reise, Anekdoten ihrer Erlebnisse und von den Schicksalen der Menschen, denen sie begegnet sind. Dadurch gelingt es ihnen, den Leser auf ihrer Reise mitzunehmen, denn der Bericht darüber, dass bei einem Verhör am Grenzübergang nach Abchasien zunächst deutsches Fußballwissen abgefragt wird, bringt einen zum Schmunzeln. Dennoch wird einem auch bewusst, wie anders das Leben der Menschen dort ist, wenn die Gruppe zum Beispiel auf den einzigen Dauerbewohner Europas höchster Siedlung oder die erste Bürgermeisterin von Duisi trifft. Auch kann es einem als deutscher Tourist passieren, spontan auf eine dagestanische Hochzeit eingeladen zu werden.  

Die Bilder fangen diese Momente ein, zeigen die Gegensätze der Regionen, aber auch Harmonie und Menschen, die scheinbar zufrieden sind.

Was mir am Ende als Leser bleibt, ist der Eindruck, dass der Kaukasus ein Reiseziel für diejenigen ist, die sich auf Abenteuer, schöne Natur und unbekannte Orte einlassen wollen. In Tiflis finden die Autoren eine Statue, die in einer Hand einen Kelch und in der anderen Hand ein Schwert hält. Diese Statue schafft es wohl am ehesten, auszudrücken, wie man sich als Tourist im Kaukasus fühlen mag. Was strikte Grenzkontrollen, eine harsche Politik und eine gewaltreiche Vergangenheit auf der einen Seite bergen, wird durch gastfreundliche, offene Menschen, die bereit sind, ihre Geschichten zu erzählen, aufgewogen.

 

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