Ryosuke hat einen harten Job als Bauarbeiter auf einer kleinen Pazifikinsel angenommen, auf Aburi. Dorthin begleiten wir ihn und werden bald gewahr, Ryosuke ist geflohen. Vor sich selbst? Vor seinen eigenen Problemen? Er schleppt aus der Vergangenheit eine Belastung mit sich herum, die ihm keinen Frieden finden lässt – daran scheint seine Flucht aus der Großstadt auf das kleine Eiland zunächst auch nichts zu ändern. Bald stellt sich heraus, dass er noch ein anderes Motiv hatte, sich diese Insel auszusuchen: Er sucht nach Hashi, dem Freund seines toten Vaters. Er hofft, dass der ihm aus seiner Misere heraushelfen kann.
Die Insel erweist sich für ihn jedenfalls nicht als pazifisches Paradies, sondern er manövriert sich in die Position eines mißtrauisch beäugten Außenseiters hinein. Zuerst findet er nur wenig Anschluss, weil er sich seinen neuen Kollegen nicht öffnet. Dann kommt er auch noch auf die verfrorene Idee, eine Ziegenkäse-Produktion zu starten. Hashi wird ihm zum Vorbild. Mit aller Beharrlichkeit verfolgt Ryosuke seine Idee – und zieht den Unmut in dem starren Gefüge auf sich.
Dieser stille Mensch, der die Zurückhaltung lebt, ja eigentlich die personifizierte Zurückhaltung ist, steht nun plötzlich im Mittelpunkt des Interesses. Der Titel verrät es, dass muss nicht schlecht ausgehen. „Die Insel der Freundschaft” gibt nicht nur Freundschaft sondern neue Lebensperspektiven.
Durian Sukegawa erweist sich als Autor der ruhigen Töne. Er malt das Seelenleben seiner Figuren sprachlich aus und lässt uns Leser so hinter die Fassaden der Gescheiterten blicken. Dabei geht es kaum um große schicksalhafte Momente sondern eher die kleineren, auf die er unsere Aufmerksamkeit lenkt. Unaufgeregt.
Wie nebenbei vermittelt der Autor Tipps zum Neudenken und Sich-neu-erfinden: Er stellt Traditionen in Frage und führt uns vor, wie Kritikfähigkeit, Kreativität, Querdenken, Durchhaltevermögen und Weiterentwicklung unser Leben in andere Bahnen lenken könne. Und als wichtig für die Menschen auf der Insel der Freundschaft, wenn sie auch nicht plakativ artikuliert werden, erweisen sich der Respekt vor Menschen und Tieren.
In dem kleinen Buch stecken viele Ideen, es ist nicht nur das Werk eines Japaners, es liest sich auch so. Jedenfalls empfinde ich die Hingabe zum stillen Protagonisten und ruhigen Lesefluss als typisch. Wer also Bücher mag, wie „If cats disappeared from the world“ wird auch „Die Insel der Freundschaft“ mögen.
Weitere Rezensionen lesen: Die Insel der Freundschaft | Durian Sukegawa