Eine Frau liegt einsam im Krankenhaus. Mann und Kinder besuchen sie nur selten, der Mann, weil er Krankenhäuser nicht erträgt. Um die Situation für sie leichter zu machen, organisiert er aber einen Besuch seiner Schwiegermutter, die nun Tag und Nacht am Bett ihrer Tochter wacht.
In Bruchstücken erfährt man etwas über die Mutter-Tochter-Beziehung, über die früheren Familienverhältnisse, über die Kindheit Lucy Bartons, so der Name der Frau. Das erinnert in Teilen an Jeanette Walls „Schloß aus Glas“, gibt aber deutlich weniger Einblicke. Fast alles wird nur angedeutet und der Interpretation des Lesers überlassen. Lucys Jugend war schwierig, ihre Ehe ist es wohl auch, im Gespräch mit der Mutter gibt es viele Stolpersteine. Was am Anfang noch interessant wirkt, weil auch wirklich gut geschrieben, versandet später ein wenig in Überlegungen über Befindlichkeiten. Wie Hundefutterbrocken bekommt der Leser Erinnerungsfetzen vorgeworfen, die er selbst einsortieren und beurteilen muss. Meine Konzentration beim Lesen liess rapide nach, zu nebulös erschien mir das Ganze, zu wenig interessierte mich Lucys Welt. Natürlich ist es ganz spannend zu sehen, welch unterschiedliche Spielformen von Liebe es gibt. Dass eine Mutter, vom Lebenswandel ihres Kindes wenig begeistert, trotzdem zur Hilfe eilt, ist so ungewöhnlich nicht. Dass es dann zu Spannungen im Umgang kommt, auch nicht wirklich.
Nun ist es aber nicht so, dass dieses Büchlein nicht lesenswert wäre. Es ist gut formuliert, auch wenn mir gegen Ende der rote Faden fehlt, und die Personen sind durchaus glaubwürdig. Vom Hocker gerissen hat es mich nicht, neue Erkenntnisse gebracht auch nicht, aber ein paar Zugfahrten verkürzt – und das ist nicht zu unterschätzen.
Ich danke dem btb Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.
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