„Wer konnte schon behaupten, einen anderen zu kennen, selbst wenn er ihn täglich sah“, heißt es im ersten Kapitel von Isabella Straubs „Wer hier schlief“. Diesem Satz kann ich nach der Lektüre nur zustimmen. Ebenso kann ich die Frage beantworten, die dem Leser vom Buchrücken entgegen springt: Wie weit würdest du gehen, um dich zu retten?
Zu Beginn des Romans begegnen wir Philipp Kuhn auf dem Weg zu seiner Freundin Myriam, nachdem er sich von seiner Ehefrau getrennt und das letzte Teil aus ihrer Villa geholt hat. Er hat zudem seinen Job als Verkäufer von Sicherheitstüren aufgegeben. Doch Myriam ist nicht in ihrer Wohnung – sie ist verschwunden. Philipp beginnt umgehend seine Suche, in deren Verlauf er Überraschendes erlebt. Seine Reise führt ihn an Orte, die er früher wohl nicht betreten hätte.
Wir erfahren in Rückblenden von Philipps Beziehung zu Myriam, wie sie ihn auf die Trennung vorbereitet hat. Isabella Straub gelingt es, glaubhaft darzustellen, warum sich Philipp in Myriam verliebt hat, was sie ihm bedeutet. Eine Situation will ich als Beispiel nennen: Sie bekennen ihre Liebe zueinander mit kleinen Kieselsteinen, die sie in der ganzen Stadt verteilen. Eine wunderbare Idee, wie ich finde. Auch Philipps Verhältnis zu seiner Frau, seiner Mutter und seiner Schwester werden beleuchtet. Seine Suche führt ihn zu vielen weiteren Menschen wie einer Gruppe von Hausbesetzern, und einem alten Mann, die für ihn wichtig werden. Philipp begreift, auf wen er sich verlassen kann, und entfernt sich immer weiter von Myriam.
Der Klappentext bezeichnet den Inhalt als moderne Odyssee. Ja, es ist wahrlich eine Reise. Keine derart lange wie diejenige, die Odysseus erlebt. Dennoch für mich eine, die ich schnell gelesen und genossen habe.
Unterschiedliche und teils amüsante Personen wie Philipp, der mit einem Bild unterm Arm durch die Stadt läuft, und eine Frau, die Geburtstagskuchen backt, um sie direkt einzufrieren, aber auch lustige Situationen machen diesen Roman aus. Humor kommt definitiv nicht zu kurz. Ich bin angetan vom Cover, das einen schlafenden Flamingo auf blauem Grund zeigt. Der Blumenbar-Verlag hat auch hier wieder tolle Arbeit geleistet. „Wer hier schlief“ ist ein vergnügliches Buch, das keinesfalls belanglos ist, sondern eine Botschaft hat. Sicherlich wird jeder eine eigene Botschaft aus dem Roman mitnehmen. In meinem Fall ist es die Erkenntnis, dass wir oftmals den falschen Leuten hinterher laufen und so das wirklich Wichtige aus den Augen verlieren.
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