El Dorado, sagenumwobene Stadt der Inkas, strotzend vor Gold und gut versteckt vor Eindringlingen, irgendwo in Peru gelegen, El Dorado, das schon so viele Glückssucher inspirierte, doch nie sein Geheimnis preisgab, dieses El Dorado fasziniert auch den Jungen Rudolph August Berns, der mit seinen Eltern in Uerdingen am Rhein lebt. Ein verträumter Junge, der sich stundenlang damit beschäftigen kann, sich abenteuerliche Geschichten auszudenken, der zusammen mit seinem Vater Gold wäscht im Rhein.
Kinder werden erwachsen und geben meistens ihre Träume und Phantasien irgendwann auf. Nicht so Berns. Sein ganzes Leben richtet er darauf aus, die verschollene Inka-Stadt zu entdecken, scheut weder harte Arbeit, noch die Trennung von seiner Familie – und reist tatsächlich nach Peru.
Sabrina Janesch, die mich zuletzt mit ihrem Roadmovie „Tango für einen Hund“ sehr begeistern konnte, hat sich der Geschichte des fast unbekannten Entdeckers Augusto Berns angenommen. Herausgekommen ist eine literarische Biographie und ein Abenteuerroman im Stile Karl Mays, nur lebensechter. Berns ist eine Art moderner Don Quixote, ein Glaubender, den noch so viele Hindernisse nicht davon abhalten können seinen Traum zu leben und seinen Weg zu gehen.
Er zieht ins Hochland von Peru und findet dort Machu Picchu und zwar 1867, 44 Jahre bevor Hiram Bingham diese Entdeckung für sich reklamiert. Doch damit scheint Berns‘ Glückssträhne erschöpft, eine weitere Ausforschung mißlingt, sein Name gerät in Vergessenheit.
Sabrina Janesch erweckt ihn wieder zum Leben, diesen Ritter von scheinbar gar nicht so trauriger Gestalt und zeigt dabei nicht nur seine träumerische Seite, sondern auch, was eigentlich sein Antrieb ist: Gold. Berns geht es gar nicht wirklich in erster Linie darum, die Überreste einer verlorenen Stadt zu finden, sondern er sucht, was viele vor ihm auch nicht gefunden haben, den verlorenen Schatz der Inkas, El Dorado, die goldene Stadt. Die aber zu seinem Leidwesen kein Gold enthält, zumindest nicht sichtbar. Dass er dem Leser dennoch sympathisch bleibt, dass sein Handeln in weiten Teilen nachvollziehbar ist, verdanken wir, oder vielmehr er, Sabrina Janeschs einfühlsamen Schreiben. Sie behält aber trotzdem dabei auch hier ihren eher lässigen, pathosfreien Stil, der das Lesen so mühelos macht und trotzdem nicht an Tiefe verliert.
Das Buch hat durchaus einige wenige Längen, besonders im hinteren Teil. Das ist dem biographischen Stil des Romans geschuldet; ein Leben ist meistens in den Aufbruchsjahren spannender, weil jugendliche Frische und Lebensmut auch den Leser mitreißen, weil in weniger Zeit mehr passiert. Gleichwohl ist der Roman nie trocken oder gar langweilig. Nein, ich glaube, Augusto Berns wurde hier ein wunderbares Denkmal gesetzt, das seinem Sinn für Abenteuer und gute Romane bestimmt voll entspräche.
Auch die Aufmachung des Romans ist überaus gelungen. Der Schutzumschlag zeigt eine alte Landkarte, der Titel findet sich in einer Art goldenem Medaillon. Die Stimmung des Romans wurde damit schon wunderbar eingefangen. Ein goldenes Lesebändchen setzt den Tüpfel auf das i. Ein Schatz für das Buchregal.
Weitere Rezensionen lesen: Die goldene Stadt | Sabrina Janesch