Bei komplexeren Themen ist es doch immer wieder so, dass die Tagesschau lehrt, was der Zuschauer gerade alles nicht weiß. Beim Bürgerkrieg in Syrien ist bekannt, dass Russen und Iraner Assad unterstützen, manchmal macht das auch die Türkei, die aber vor allem gegen die Kurden agiert. Die sind im Gegensatz zur terroristischen PKK gute Kurden, weil sie syrischen Christen helfen. Deutsche Tornados müssen aus der Türkei nach Jordanien verlegt werden, weil der Bundestag eine Armenienresolution beschloss. Die IS wird von allen bekämpft und die USA und Saudi-Arabien unterstützen die Opposition. Alles soweit klar. Wen unterstützen die? Die Opposition ist doch IS. Ja schon, aber das sind eindeutig die Bösen. Es gibt aber auch eine gute Opposition. Okay, wer ist das? An dieser Stelle kaufe ich mir in der Regel ein Buch. Die werden in solchen Situationen von aktuellen Experten schnell erstellt und sollen das Problem auf die Schnelle klären.
Kristin Helberg versucht es zum Glück nicht auf die Schnelle und ist keine Expertin „ex machina“, sondern lebte von 2001 bis 2008 in dem Land, das sie in ihrem Buch beschreibt. Offensichtlich zu Gunsten der Aktualität verzichtet sie auf eine historische Herleitung über die letzten 300 Jahre, sondern kommt erfreulich schnell zum Punkt.
Das macht sie im ersten Teil sehr persönlich, in dem sie über Begegnungen mit ausgesuchten Menschen berichtet und beschreibt, wie diese unter Assad lebten, welche Hoffnungen sie hatten, wie sie enttäuscht wurden und was der Bürgerkrieg mit Ihnen macht. Das ist ein sehr individueller Zugang, führt aber nicht gleich auf die Antwort auf die zentrale Frage: Wer ist die gute Opposition, die unterstützt werden muss? Glücklicherweise bekommt Helberg noch rechtzeitig die Kurve und widmet sich den Strukturfragen: wie ist es zur heutigen Lage gekommen? Welche Wegzweigungen hätte es gegeben und wie kann es weitergehen? Deutlich ihre Kritik am späten Eingreifen des Westens und der langen Konzeptionslosigkeit. Und dann endlich die Darstellung oppositioneller Strukturen, die unterstützenswert waren und sind. Leider ist dieser Teil etwas kurz. Vielleicht auch deshalb, weil das Fazit nicht sonderlich hoffnungsfroh stimmen kann: „Was der Revolution fehlt, sind … populäre Führungsfiguren. Vielleicht gibt es diese bereits. …Viele von ihnen sind tot – Organisatoren von Demonstrationen, Parolen-Sänger, Bürgerjournalisten. Wer sich exponiert, wird zur Zielscheibe des Regimes.“
Das ist also letztendlich die Antwort auf die Frage nach der „guten“ Opposition. Sie ist führungslos und damit quasi nicht vorhanden. Das ist zwar frustrierend, aber wer das Buch Helbergs liest, bekommt zumindest eine Ahnung davon, warum die Situation ist wie sie ist. Das hilft zum besseren Verständnis der Lage, wenn es auch die Hoffnung auf eine vernünftige und zeitnahe Lösung des Konflikts nicht bestärkt. Bei der nächsten Tagesschau hilft dieser Hintergrund dennoch.
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