„Gemischte Gefühle“ von Katherine Heiny ist im März 2018 bei Hoffman und Campe in der Übersetzung von Marion Hertle erschienen.
Der Roman gibt uns Einblick in das Leben von Graham, einem 56jährigen Mann, der seit zwölf Jahren in zweiter Ehe mit der fünfzehn Jahre jüngeren Audra verheiratet ist und mit ihrem gemeinsamen Sohn Matthew in New York lebt.
Die Eheleute sind sehr verschieden. Graham ist ein stiller, beobachtender Typ, wohingegen Audra raumgreifend und extrem extrovertiert ist: „In diesem zwölften Jahr seiner Ehe erschien es Graham allmählich so, als lebten er und seine Frau in parallelen Universen. Aber schlimmer fand er, dass sein Universum einsam und freudlos war, ihres dagegen dicht besiedelt mit Armeen von Freunden und Bekannten und jeder Menge Leute, die er nicht kannte.“ (S. 9) Audra liebt es, ständig Gäste in ihrem Haus zu beherbergen, die Graham dann bekochen darf.
Was ihr Zusammenleben außerdem herausfordernd macht ist die Tatsache, dass ihr Sohn Matthew das Asperger-Syndrom hat. Audra und Graham sind sehr bemüht, Matthew gerecht zu werden und nehmen dafür Vieles in Kauf, wie zum Beispiel Matthews Sonderwünsche, was Essen anbelangt, die vielen Fahrten zum Origami-Club, dem Matthew irgendwann angehört, die Einladungen, die sie an Eltern von Kindern aussprechen, mit denen Matthew Kontakt hat – auch, wenn sie diese Menschen gar nicht leiden können. Grahams Erschöpfung in dieser Hinsicht kommt deutlich zum Ausdruck: „Es war einfach nur unglaublich, wie das Leben weiter voranrumpelte und ihm Dinge abverlangte. Er musste aufstehen, zur Arbeiten gehen, seinen Lebensunterhalt verdienen, Abendessen kochen, ein Vater sein, und das alles an Tagen, an denen er nicht wusste, ob er es schaffte, sich die Zähne zu putzen.“ (S. 181)
Außerdem gibt es da noch Elspeth, Grahams erste Frau, die im Gegensatz zu Audra eher spröde, wortkarg und zurückhaltend ist. Ihr gegenüber hat Graham wegen der Trennung immer noch mit Schuldgefühlen zu kämpfen, nähert sich ihr aber im Lauf der Zeit wieder an und sie können sich irgendwann sogar ihre jeweilige Untreue anvertrauen.
Und Untreue spielt auch in Grahams Beziehung mit Audra eine Rolle und sie ist auch Thema in all den anderen Beziehungen von Menschen, mit denen sie Kontakt haben.
In Grahams Welt passiert nicht viel. Die herausragenden Ereignisse sind, dass Matthew sich aus dem Origami-Club verabschiedet und irgendwann soweit ist, Zeit bei einem Zeltlager zu verbringen und dass Elspeth stirbt.
Das Buch hat in mir beim Lesen eher negative Gefühle ausgelöst: Dieser Mangel an Plot, an Entwicklung und in gewisser Weise auch ein Mangel an Perspektive haben für mich die Lektüre dieses Romans anstrengend werden lassen.
Ich habe zu den Charakteren keinen Bezug aufbauen können und ich mochte sie auch nicht wirklich – Grahams Passivität und mangelnde Eigeninitiative haben mich gelangweilt und ungeduldig gemacht, Audra würde mich im „richtigen Leben“ mit ihrer Schwatzhaftigkeit, ihrer ausufernden Erzählweise und Übergriffigkeit zum Wahnsinn treiben. Und Matthew, der aus Grahams Augen gesehen wird, wirkt eher eindimensional.
Die in manchen Besprechungen des Romans erwähnte Witzigkeit und Situationskomik kann ich nicht nachvollziehen. Auf mich hat diese Beschreibung des Familienlebens von Graham, Audra und Matthew mit allen angegliederten Menschen ihres Umfelds eher anstrengend, aufreibend und teilweise trostlos gewirkt.
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