Es beginnt alles mit dem Musiklehrer Walther Köck, dessen Lebensweg in Liebwies strandet, einem einsam gelegenen Dörfchen mit Brigadoon-Charakter. Denn an Liebwies ist die Zeit vorbei gegangen, der Krieg, die technischen Neuerungen. Aber genau dort entdeckt Köck eine junge Sängerin mit unfassbarem Talent.
Das Buch wäre ein nettes Romänchen geworden, wäre es so märchenhaft weiter gegangen. Nichts jedoch liegt Irene Diwiak ferner in ihrem Debutroman, der durchzogen ist von tiefschwarzem Humor. Sie nimmt die Mechanismen des Kulturbetriebs auseinander, und daher zieht nicht die hochtalentierte Karoline in die Welt hinaus, sondern ihre unbegabte, aber hübsche Schwester. Denn merke, Schönheit geht vor Talent.
Das bekommt auch Ida Gussendorf zu spüren, die so unscheinbar ist, dass es schon wieder auffällig ist. Niemand nimmt Ida wirklich wahr, nicht ihre Mutter, nicht ihre Brüder und schon gar nicht ihr Gatte, der eitle Möchtegerndichter und -komponist August Gussendorf. Der gibt ungehemmt ihre Kompositionen als seine eigenen aus und sonnt sich in gestohlenem Ruhm.
Wie nun die Erzählstränge von Ida und der schönen Gisela zusammentreffen und was daraus entsteht, das möchte ich hier nicht weiter ausbreiten. Denn der Roman mit seinen teilweise skurrilen Charakteren, den unerwarteten Wendungen und dem sehr pointierten Erzählstil verdient es wirklich, viele Leser zu finden. Selten sieht man einen Debutroman, der schon so ausgewogen und treffsicher formuliert ist und einen so ausgeprägten eigenen Stil erkennen läßt. Ich hatte meine helle Freude an der Idee von einer Oper, bei der die Hauptdarstellerin möglichst nicht singen und schauspielen darf. Und auch, wenn der aufkeimende Nationalsozialismus scheinbar nur am Rande eine Rolle spielt, wird er immer wieder in den Text geflochten, sieht man früh, welche Charaktere sich wie positionieren werden. Ein spannender Blick auf die Zwanziger Jahre und ihre Freiheiten, aber auch auf die Fremdbestimmung, die für Frauen damals als selbstverständlich galt. Vergessen wir nie, welchen Preis andere zahlen mussten dafür, dass wir nun eigene Entscheidungen treffen dürfen und über unseren Körper weitgehend selbst bestimmen können.
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