Als ich Jo Bakers Buch über die Kriegsjahre Samuel Becketts las ( „Ein Ire in Paris“ ), da wußte ich noch nichts von diesem Roman. Das ist ein wenig verwunderlich, ist er doch ein Bestseller zum einen und angelehnt an Jane Austen zum anderen. Und ich lese Jane Austen wirklich gerne. Wie auch immer, der „Ire in Paris“ gefiel mir ausnehmend gut, ist für mich nach wie vor eines der besten in diesem Halbjahr gelesenen Bücher. In der obligatorischen Autorenvorstellung auf dem Umschlag stolperte ich dann über „Im Hause Longbourn“. Und da ich, wie schon erwähnt, Austens Bücher liebe, musste dieser Roman unbedingt gelesen werden.
Jo Baker hat eine Parallelhandlung zu „Stolz und Vorurteil“ verfasst, quasi hinter die Kulissen geschaut, genauer in die Dienstbotenräume. Während die Schwestern Bennet also ihre Heiratspläne schmieden, sind sie umgeben von dienstbaren Geistern, die Schuhe putzen, Unterröcke stopfen, Essen kochen und servieren, eben all die Arbeiten verrichten, die für Frauen von Stand nicht angemessen sind. Die Autorin hat Austens Roman dafür minutiös durchgearbeitet. Wenn in Austens Buch Kirschkuchen serviert wird, wird bei Baker welcher gebacken, wenn bei Austen Mr Darcy des Wegs geritten kommt, nimmt bei Baker James die Zügel entgegen. Das ist in der Grundidee eigentlich ganz spannend. So ein veränderter Blickwinkel kann ja Interessantes zutage fördern. Aber leider ist aus dieser guten Idee schlussendlich eine 08/15 Liebesschmonzette vor historischem Hintergrund geworden. Die Familie Bennet bleibt blass, ihre Angestellten sind Stereotypen. Die dicke resolute Köchin, der schöne und geheimnisvolle Hausdiener, die selbstbewusste anpackende Hausmagd. Um diese Geschichte so zu schreiben, hätte man Austens Roman wahrlich nicht als Vorlage benötigt.
Der Roman ist eine nette Ferienlektüre, durchaus unterhaltsam, ein bißchen romantisch, mit einem Worte : ganz nett. Mehr aber auch nicht. Und so hat es ein Gutes, dass mir der Beckett-Roman zuerst in die Finger geriet. Nach diesem historischen Schwank hätte ich ihn womöglich gar nicht mehr gelesen. Und das wäre wirklich ärgerlich gewesen. Daher mein Rat: Lest Austen im Original und von Jo Baker lieber „Ein Ire in Paris“. Denn das ist, ich wiederhole es gern noch einmal, wirklich hervorragend.
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