Joshua Ferris erzählt in seinem Roman „Ins Freie“ eine intensive, eindringliche Geschichte von Selbstzerstörung, Selbsterhaltung, Liebe und Zugehörigkeit.
Tim Farnsworth, erfolgreicher New Yorker Anwalt, verlässt eines Tages unvermittelt sein Büro und läuft los. Sein zunehmendes Laufbedürfnis entwickelt sich zum Zwang. Anfangs schafft er es, seine Frau Jane anzurufen und ihr seinen Standort durchzugeben. Sie holt ihn, meist zusammen mit ihrer Tochter Becka, an entlegendsten Plätzen ab. Seinen Partnern und Kollegen gegenüber begründet er seine Arbeitsausfälle mit einer angeblichen Krebserkrankung Janes.
Tims Laufzwang ist für Ärzte, Neurologen, Psychiater ein Rätsel. Selbst drastische Maßnahmen helfen nur vorübergehend. Die Beziehung zu Jane leidet unter seinem unvorhersehbaren Verhalten. Jane fragt sich zurecht einmal, ob sie die Bindung und eheliche Verpflichtung Tim gegenüber aufrecht erhalten kann, weil sich phasenweise alles nur um seinen Laufzwang dreht und sie sogar ihren Beruf quittiert.
Es gibt kurze Episoden, in denen sich die Situation entspannt und Jane und Tim ihr „normales“ Leben wieder aufnehmen. Das erscheint wie eine kurze Verschnaufpause, denn irgendwann ist klar, dass Tim weiter laufen wird.
Als Jane tatsächlich an Krebs erkrankt, macht es sich Tim zur Aufgabe, sie vor ihrem Tod noch zu sehen…
Dieses Buch ist kein reines „Lesevergnügen“. Es verlangt einem ab, dass man mit Jane, Tim und mit ihrer Tochter Becka alle Phasen durchläuft und durchleidet, mit ihnen hofft, wenn es aufwärts geht, nur um mitzufühlen, wenn es Tim irgendwann immer schlechter geht.
Ein aufwühlendes Buch, das nachwirkt, das Gesprächsstoff bietet und einen so schnell nicht mehr loslässt.
Original: The unnamed, 2010 erschienen; TB in Deutsch 2012.
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