Eines Tages wird Louise Bergmann aus dem Schlaf geklingelt und von der Polizei abgeholt. Der 90-jährige Bruno Mesdag wurde umgebracht. Als Haushaltshilfe des alten Herrn fällt der Verdacht schnell auf sie. Sie wird festgehalten und verhört, bis sie es nicht mehr erträgt. Obwohl sie unschuldig ist, legt sie ein Geständnis ab, schildert die Tat genau so, wie sie vollführt wurde. Und tritt anschließend eine lange Haftstrafe an, die sie von ihrem alten Leben, ihrem Mann und ihrer Tochter zwangsläufig entfremdet.
Louises Tochter, Marie Lina, die bei der Verhaftung noch ein junges Mädchen war, mittlerweile aber selbst glücklich verheiratet und Mutter, kann diese Ungerechtigkeit, die sie seit Jahren quälend umtreibt, nicht ruhen lassen. Und so macht sie sich auf die Suche nach der Frau, für deren Mord ihre Mutter büßen musste. Der Plan nach Rache und Vergeltung ist in ihr fest gefasst und sie ist bereit, ihn um jeden Preis auszuführen.
Ich hatte keine großen Erwartungen, wurde dann zunächst überrascht und habe letztendlich doch mit sehr gemischten Gefühlen das Buch beendet. Von Vögeln und Menschen ist vor allem eine Mutter-Tochter-Geschichte, in der das Gespann zwar nicht viel Zeit miteinander verbringen kann, das Leben der Tochter jedoch drastisch von dem Leben der Mutter beeinflusst ist. Margriet de Moor schafft es hier, die verschiedenen Charaktere der Hauptfiguren extrem scharfsinnig zu zeichnen und dem Leser bzw. der Leserin einen Einblick in die Psyche dieser Figuren zu liefern, der gleichzeitig sehr nüchtern und präzise ist, aber einen dann doch tief in ihre seelischen Befindlichkeiten hineinblicken lässt. Genau dies hat mir auf der einen Seite zwar gefallen und mich de Moors feine Beobachtungsgabe bewundern lassen, die sich wie ein Tanz auf der Suche nach Wahrheit und (grausamer Un-)Gerechtigkeit zwischen den schuldigen und unschuldigen Frauen und Männern hin- und herbewegt – auf der anderen Seite hat es mich jedoch nie wirklich mitgerissen oder emotional berührt, wobei ich mir aber auch nicht sicher bin, ob das tatsächlich das Ziel war. Zumindest fühlte ich mich aber, als würden mir ein paar Teile des Bildes fehlen, um diesen Roman in seiner Gesamtheit sehen zu können – und ein paar Teile (hauptsächlich diese, die in Verbindung mit den Vögeln standen), besaß ich auch am Ende zu viel und konnte ich nicht richtig einfügen.
Im Endeffekt bleibt nach „Von Vögeln und Menschen“ bei mir eine große Neugier auf de Moors weitere Werke, aber keine nachhaltige Begeisterung für dieses durchaus kunstvoll konstruierte und sprachlich interessante (und wirklich sehr schön übersetzte), aber dann doch zu nüchterne und für mich zu abschweifende Werk über die menschlichen Abgründe und Sehnsüchte, über Hass und Vergebung und die Frage danach, was es braucht, um einen Menschen zum Äußersten zu treiben.
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