Ein weiterer Band aus dem Hogarth Shakespeare Project hat den Weg zu mir gefunden, und zwar Anne Tylers Version von „Der Widerspenstigen Zähmung“.
Für die, die noch nicht davon gehört haben: acht namhafte Autoren interpretieren innerhalb des Projekts ein Stück Shakespeares neu. So widmet sich beispielsweise Edward St Aubyn König Lear oder Margaret Atwood dem Sturm. Jede Interpretation bisher war auf ihre Art spannend, obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten.
„Die störrische Braut“ ist dabei sicherlich die heiterste Version eines Shakespeare-Stückes. Das Buch liest sich wie eine luftige Sommerliebesgeschichte mit leicht verschrobenem Personal.
Kate und ihre Schwester Bunny wachsen nach dem Tod ihrer Mutter bei ihrem Vater auf, einem nur in der Arbeit aufgehenden Wissenschaftler. Kate führt den Haushalt, erzieht ihre jüngere Schwester und arbeitet zusätzlich noch in einem Kindergarten. Ihr Leben fließt in den ewig gleichen Bahnen dahin, bis ihr Vater auf die Idee kommt, sie mit seinem russischen Mitarbeiter Pjotr verheiraten zu wollen, weil dessen Visum ausläuft. Im Grunde eine Zumutung, und Kate weigert sich strikt. Dummerweise findet sie Pjotr eigentlich immer anziehender…
Ich muss gestehen, ich kenne keine weiteren Bücher von Anne Tyler, obwohl sie zu den bekanntesten amerikanischen Schriftstellerinnen zählt. In diesem Falle ist ihr eine fröhliche und locker-flockige Umsetzung des Stoffes gelungen, mit diversen Anspielungen auf das Musical „Kiss me, Kate“ von Cole Porter. Ihre Charaktere hat sie liebevoll mit sehr eigenen Zügen ausstaffiert und ihr „Fleischpapp“ wird mir noch lange mit Schaudern in Erinnerung bleiben.
Kate wandelt sich zusehends von der leicht verbiesterten, einsamen Jungfer zur liebenden, fürsorglichen Ehefrau. Das ist vergnüglich zu lesen, aber ist es auch zeitgemäß? Natürlich kann man von einem Shakespeare-Stück keine modernen Ansichten erwarten, und der Komödiencharakter entsteht ja durch die Wandlung der widerspenstigen Katharina, aber die originale Zähmung sieht man meistens in ihrem zeitlichen Kontext. Hier handelt es sich um eine Neuinterpretation und da wäre es sicherlich erlaubt gewesen, jahrhundertealte Wertvorstellungen in Frage zu stellen oder zumindest ironisch zu brechen. In Ansätzen ist das sicherlich vorhanden, wenn zum Beispiel zum Schluß das gleichberechtigt arbeitende Ehepaar gezeigt wird. (Ich denke, ich verrate hier nicht zuviel, das Ende von „Der Widerspenstigen Zähmung“ ist ja schon länger kein Geheimnis mehr.) Aber ich hätte mir davon durchaus mehr gewünscht.
So ist „Die störrische Braut“ eine leichte, in Teilen sogar seichte Liebeskomödie mit wenig Tiefgang geworden, ohne das Original großartig zu hinterfragen. Aber es reicht bei diesem Stück eben nicht, nur das Kleid gegen eine Jeans zu tauschen. Mir zumindest nicht.
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