- Die Protagonistin und ihre Geschichte
Lena lebt auf Amrum, sie arbeitet in einem Hospiz und bastelt Schmuck aus Meerglas. Das Meerglas ist für sie eine Erinnerung an ihre Mutter Mariella, eine gebürtigen Italienerin, die vor 20 Jahren beim Schwimmen ertrunken ist. Eines Tages steht Matteo vor ihr, von dem sie sofort fasziniert ist. Doch als Lena ihn am nächsten Tag in seiner Pension aufsuchen will, ist er bereits wieder Richtung Italien abgereist. In seinem Zimmer entdeckt Lena Fotos, die ihre Mutter als junge Frau zeigen. Da Mariella nie über ihr Leben in Italien gesprochen hat, beschließt Lena sich an der Amalfiküste auf die Suche nach den Wurzeln ihrer Mutter zu machen und hofft, Matteo dort noch einmal zu begegnen.
- Meine Gedanken zum Buch
Das Buch startet im Jahr 1972 an der Amalfiküste, wo sich die damals zwölfjährige Mariella und die gleichaltrige Francesca Forlani das erste Mal begegnen. Die Forlanis sind vermögend und der Vater leitet die Firma, für die Mariellas Vater arbeitet. Durch ihre Freundschaft zu Francesca dringt Mariella in eine Welt vor, die für sie ganz neu ist. Der Roman ist spannend aufgebaut, denn schnell wird klar, dass Mariella vor vielen Jahren alle Brücken hinter sich abgebrochen hat, als sie nach Deutschland ging, doch die Gründe dafür erarbeitet die Autorin nach und nach und legt sie erst gegen Ende offen. Grundsätzlich hat mir das sehr gut gefallen, allerdings fand ich es nicht realistisch, dass nicht einmal Mariellas Mann irgend etwas über ihre Vergangenheit wusste.
Im zweiten Handlungsstrang lernt der Leser zunächst Lena und ihre Familie kennen, bevor die junge Frau sich auf den Weg nach Italien macht. Ein Großteil der Handlung um Lena wird von der Geschichte um sie und Matteo eingenommen, wobei ich Lenas Verhalten gerade im Bezug auf diesen Mann nicht ihrem Altern entsprechend fand. Doch der Part um Lena ist sehr viel mehr als nur eine Liebesgeschichte, es ist eine tiefgründige Erzählung über eine junge Frau, die sich schon ihr Leben lang mit dem Tod auseinandersetzt, die ein gespaltenes Verhältnis zu ihrer Schwester hat, der sie die Schuld für das Scheitern ihrer letzten Beziehung gibt und deren Recherchen über ihre Mutter Dinge ans Licht führen, die sie an der Liebe ihrer Mutter zweifeln lassen. Der Tiefgang ist Katharina Herzog recht gut gelungen. Da sie Lenas Arbeit im Hospiz immer wieder thematisiert, hätte ich mir gewünscht, dass sie noch intensiver darauf eingeht, wie sehr die Arbeit und die ständige Begegnung mit dem Tod den Pflegekräften an die Substanz gehen kann.
Nicht gefallen hat mir, dass Lena Zoe insgeheim vorwirft, am Scheitern ihrer letzten Beziehung schuld zu sein, aber die beiden sprechen nie darüber. Spätestens an der Stelle, an der es zwischen Lena und Matteo um Vertrauen geht, hätte Lena die Vergangenheit durch ein offenes Gespräch mit Zoe hinter sich lassen könne. So fällt die Sache einfach unter den Tisch.
Am Ende gibt es eine Unstimmigkeit im zeitlichen Ablauf, Mariella war im September 1996 auf Fehmarn und hat anschließend einen wichtigen Brief geschrieben, der allerdings auf September 1986, also zehn Jahre zuvor, datiert ist. Darin schreibt sie über ihre Kinder, die 1986 noch gar nicht geboren waren.
Als ich diesen Text geschrieben habe, habe ich gemerkt, wie hoch meine Erwartungen an. die Autorin sind. Im Vergleich zu manchem ChickLit, dem ich 5 Sterne gegeben habe, ist dieser Roman wesentlich gehaltvoller, aber verglichen mit den anderen Romanen der Autorin selbst, habe ich „nur“ 4 Sterne vergeben.
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