Mein Leben – Marcel Reich-Ranicki

Mein Leben | Adalbert Stifter Richard Pils besprochen von Alexandra am 29. Oktober 2017.

Bewertung: 5 Sterne

Ich halte nicht viel von dem Wort Idol, doch ein passenderes Wort fällt mir zu Marcel Reich-Ranicki nicht ein. Er ist mein Idol. Ich hatte ihn schon immer auf dem Schirm, doch in den letzten Jahren ist er etwas in Vergessenheit geraten, bis ich auf einem Bücherflohmarkt seine Biografie fand und ohne zu zögern mitnahm. Lange stand es nicht im Regal. Immer wieder ging ich daran vorbei und unterdrückte den Impuls es mir direkt zur Hand zu nehmen, weil ich zuerst noch andere Bücher fertig lesen wollte. Doch für meine strenge Disziplin bin ich nicht gerade berühmt. Eines Abends nahm ich die Biografie mit ins Bett, um „nur mal drin zu blättern und reinzulesen“. Dieses Reinlesen dauerte 2 Stunden und ca. 150 Seiten.
Die Leichtigkeit mit der sich dieses Buch lesen lässt habe ich wahrlich nicht erwartet. Er schreibt wie er spricht und ich flog nur so durch die Seiten. Seine Liebe zur Literatur hat sich gleich auch auf mich übertragen und so stand ich in den letzten Tagen vor meinem Bücherregal und suchte die ganzen Klassiker raus, die ich jetzt unbedingt demnächst lesen möchte. Dann kam der Abschnitt mit der Deportation, dem Leben im Warschauer Getto und dem Krieg. Auch diesen Abschnitt hatte ich schnell durch, wenngleich er mich oft in großes Gefühlschaos stürzte. Einige Tränen flossen und ich verspürte eine große Wut, auch Unverständnis und Fassungslosigkeit.
Der letzte Teil des Buches handelte dann von seiner Zeit als Literaturkritiker in Deutschland. Es war spannend mehr über die Gruppe 47 zu erfahren und über die neuere deutsche Literatur im Allgemeinen.

Sprachlich ist dieses Buch absolut gelungen. Er schreibt locker, aber nicht so, als dass es zu salopp erscheinen würde. Ich hatte beim Lesen oft das Gefühl ich würde Marcel Reich-Ranicki in einem Gespräch zuhören. Als würde er es mir Auge um Augen erzählen. Noch nie habe ich ein Buch gelesen, welches eine so ungekünstelte und doch niveauvolle Sprache hat.
An einigen Stellen gab es Dopplungen, was das Gefühl eines Gesprächs noch einmal verstärkte. Trotzdem waren diese Dopplungen kleine Stolperer, die den Lesefluss etwas beeinflussten, jedoch nicht allzu sehr.

Dieses Buch war für mich in jeder Hinsicht eine Bereicherung und sehr inspirierend. Es hat meine Liebe zur Literatur geschürt und mich auch noch einiges gelehrt. Es ist auch ein wenig eine Zeitgeschichte von 1920 bis 1999. Ich erfuhr so einiges über die deutsche und die polnische Geschichte, was ich noch nicht wusste. Immer wieder war mein Lesen von Recherchearbeiten zu Büchern, Autoren oder Geschichtlichem unterbrochen worden. Jedem Literaturliebhaber kann ich dieses Buch nur ans Herz legen.

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