Montauk. Ein kleiner Ort an der Spitze von Long Island, Bundesstaat New York. Benannt nach dem Ureinwohnerstamm der Montaukett, bekannt durch seinen Leuchtturm – und Max Frisch. Der verbrachte 1974 nämlich ein Wochenende dort in weiblicher Begleitung und schrieb darüber.
Und während der alternde Frisch seine Zeit mit der jugendlichen Lynn teilt, sinniert er über vergangene Lieben und Wunden. Er versucht sein Erleben und seine Gedanken möglichst getreu wiederzugeben, ohne Streichungen und Hinzufügungen. Dabei nimmt er keine Rücksichten, nicht auf sich, aber auch wenig auf andere, schreibt über Schwangerschaftsabbrüche, Verletzungen, den Tod naher Personen, über Freunde, seine Frauen und seine Kinder, über seine Impotenz und das Altern.
Naturgemäss reisst er viele Themen nur kurz an, es ist ja eine Erzählung, keine umfassende Autobiographie. Der Veröffentlichung folgte ein Sturm der Entrüstung. Vor allem seine ehemaligen Partnerinnen waren verletzt und empört über die Art seines Schreibens. Als Autor des Textes war es eben Frisch, der entschied, über was er schrieb, wo in einer Erinnerung er den Punkt setzte und was er damit offenlegte und was er verschwieg. Das ihm das bewusst war, zeigt folgender Ausschnitt:
Dies ist ein aufrichtiges Buch, Leser
und was verschweigt es und warum?
Damit ist „Montauk“ eigentlich nicht sinnvoll lesbar ohne eine genauere Kenntnis von Frischs Lebenslauf. Erst, wenn man die Erinnerungen mit konkreten Daten, den Lebensläufen der erwähnten Personen und den weiteren Verläufen der angerissenen Geschehnisse füllen kann, ergibt sich ein Gesamtbild. Für mich zumindest. Was man aber auch ohne dieses ganze Wissen spüren kann, ist die Einsamkeit, die Frisch scheinbar sein ganzes Leben lang umgeben hat und die aus jeder Seite des Buches dringt. Gescheiterte Beziehungen, wenig Bezug zu den eigenen Kindern, eine Geliebte, die zwar Gesellschaft, aber nicht zwingend Nähe bedeutet, dazu der menschenleere Strand und die Abgeschiedenheit des kleinen Küstenortes…
Und so möchte ich mit einer Strophe aus Erich Kästners Gedicht „Kleines Solo“ enden:
Einsam bist du sehr alleine.
Aus der Wanduhr tropft die Zeit.
Stehst am Fenster. Starrst auf Steine.
Träumst von Liebe. Glaubst an keine.
Kennst das Leben. Weißt Bescheid.
Einsam bist du sehr alleine-
und am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit.
Ich danke dem Suhrkamp Verlag sehr herzlich für das Leseexemplar.
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