Über vier Frauen schreibt Connie Palmen in ihrem neuen Buch. Jede von ihnen auf ihre Art hochtalentiert, und jede von ihnen zahlt einen gewaltigen Preis dafür, dieses Talent auch zu leben. Marilyn Monroe, Marguerite Duras, Jane Bowles, Patricia Highsmith – vier Essays, in denen Connie Palmen den Lebenswegen dieser Frauen folgt, Gemeinsamkeiten entdeckt, Strategien, die es ihnen erlauben, Konventionen zu brechen, das Korsett zu sprengen, das in den ersten zwei Dritteln des letzten Jahrhunderts Frauen noch immer in vorgefertige Raster presst. Einiges hat sich geändert seitdem, wenn auch bei weitem nicht genug, aber es ist Frauen wie den oben genannten zu verdanken, dass wir uns heute weitestgehend selbstbestimmt bewegen und freie Entscheidungen treffen können.
Zu den Gemeinsamkeiten zählt jeweils eine unglückliche vaterlose Kindheit, geprägt von einem schwierigen Verhältnis zur Mutter. Ein erster Trennungsschnitt erfolgt durch eine Namensänderung: aus Norma Jean Baker wird „Marilyn Monroe“, aus Marguerite Donnadieu „Marguerite Duras“, aus Mary Patricia Plangman „Patricia Highsmith“ und Jane Auer wird durch Heirat zu „Jane Bowles“. Jede von ihnen erschafft mit dem neuen Namen auch eine Kunstfigur, die es ihnen ermöglicht, ein neues Selbst zu kreieren, ein Selbst, das ihre talentierte Seite zum Leuchten bringt. Der Preis bei allen: Identitätsprobleme, Selbstzweifel, Alkohol, Drogen, teilweise Selbstmordversuche. Wirkliche Freude über das Erreichte kann keine von ihnen empfinden.
Eigentlich ist „Die Sünde der Frau“ ein unglaublich trauriges Buch. Ein Buch, das zeigt, was eine engstirnige Gesellschaft Menschen antun kann. Was diese Menschen bereit sind, sich selbst anzutun, um dem zu entkommen. Wie der Fuchs, der sich das Bein abbeißt, um der Falle zu entrinnen und dann in Freiheit zu verbluten.
Ein Buch, das meinen Zorn geschürt hat, einen Zorn, den ich schon sehr lange in mir trage: mit welchem Recht glauben Menschen anderen Menschen vorschreiben zu dürfen, wie sie zu leben haben? Mit welchem Recht, wenn der Lebensentwurf des Einzelnen anderen nicht weh tut? Mit welchem Recht glauben Menschen, sie dürften anderen vorschreiben, wenn sie lieben dürfen und wen nicht? Was „richtige“ Liebe ist, und was nicht? Was geht es sie denn an?
Und die Erbsünde der Frau? Was ist sie anderes als das Hirngespinst eines rachsüchtigen Gottes, der ewige Versuch andere zu knechten, indem man ihnen ausgedachte Schuld zuschiebt, um ihnen einen niedrigeren Stand zuzuweisen? Wer würde denn nicht vom Baum der Erkenntnis essen wollen, statt in ewiger Dumpfheit herumzudümpeln? Was ist denn all unser Lernen und Streben nach Wissen anderes, als die Hoffnung auf Erkenntnis?
Wie schon gesagt, dieses Buch macht mich zornig. Vier herausragende Frauen, auf dem Altar der Konventionen geopfert, vier zerstörte Leben, weil ihr Lebensentwurf zu kräftezehrend war und der Mensch hinter der Maske verloren ging.
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