„Tina und Max waren ein Paar, das sich in den großen Dingen des Lebens immer einig war. Über die kleinen Dinge zankten sie sich unablässig, aber in den großen Dingen verstanden sie sich blind.“ S. 8f. Als sie wider besseren Wissens eine Passstraße befahren, werden sie eingeschneit und müssen im Auto die Nacht verbringen. Max erzählt zur Ablenkung Tina eine wirklich wahre Geschichte: Vom Kuhhirten Jakob Boschung und von Marie, der Tochter des reichsten Bauern, die sich gegen den erbitterten Widerstand von Maries Vater verlieben.
Das ist so ein kleines Büchlein, das gleitet locker und sanft über den Leser wie eine Feder. Es streichelt mit Sätzen wie „…und dann nimmt er sich vor, ihr ab sofort jeden Wunsch zu erfüllen, bevor sie ihn haben muss.“ S. 164; es kitzelt mit Anmerkungen wie „Das gefällt den Mädchen. Sie finden, dass man mit einem, der so wenig spricht, gut reden kann.“ S. 45, es hält warm S. 150 „Mag ja sein, dass es dieses Glück geben kann, den richtigen, einzigen Menschen gefunden zu haben, den rätselhafterweise nicht austauschbaren und nicht zu ersetzenden, die andere Hälfte“. Ich habe den Text langsam gelesen, weil er ein angenehmes Gefühl vermittelt, das ich noch ein wenig verlängern wollte. Nein, es ist vermutlich sonst nichts Besonderes. Es ist „nur“ schön, ein Buch für den Nachttisch oder als Geschenk für Verliebte, mit den markierten Stellen von oben.
Die eingangs genannten Zankereien sind köstlich – so beim Festfahren des Autos, Alex Capus arbeitet da mit Wiederholungen:
„So etwas Saublödes machen nur Touristen.“
„Nur die arrogantesten Blödiane unter den Touristen.“ S. 14
Oder
„Ein bisschen gefährlich ist das schon.“
„Verdammt gefährlich“ S. 15 Es ist ein wenig wie bei Loriot…
Auch die Diskussionen sind herrlich: Max erzählt lange, eine Geschichte, wie Marie und Jakob den ganzen Winter in den Bergen verbringen, sich lieben, essen, sich wieder lieben, jagen, er ihr vorsingt.
„Das ist schön“, sagte Tina. „Was meinst du, ob das Mädchen schwanger ist?“
„Nicht dass ich wüsste.“
„Seltsam….
Und Tina diskutiert und diskutiert, gynäkologische Probleme oder urologische. Wenn es nicht der Geschichte dient, da ist Max stur. S. 96. Ein bisschen wie daheim…
Ob die Geschichte wirklich wahr ist? Nun ja
Doch das, was ich gesehen habe, die Parallelität der Amour fou, bei Tina und Max in der Eisdiele und bei Jakob und Marie beim Heimbringen der Kinder, ist vielleicht nur ein Ansatz. Autor Capus
https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/koenigskinder/978-3-446-26009-2/nennt andere, siehe die 5 Fragen, der Button unter dem Link. Ich zitiere „Die meisten Menschen ahnen heute, glaube ich, dass wir in einer Epoche der Zeitenwende leben. Große Veränderungen stehen uns bevor, das fühlen wir ganz sicher, aber wir wissen nicht, wie die Welt morgen aussehen wird. Ebenso ging es den Menschen am Vorabend der Französischen Revolution.“ Das ist jetzt eine Deutung, auf die ich nicht selbst gekommen wäre, auch wenn es in Max‘ Beschreibung der Geschehnisse um Jakob und Marie einige im Kontrast deutlich wirkende Begriffe eingeschoben gibt, „bedingungsloses Grundeinkommen“ beispielsweise, am Hof. Was wäre es dann? Habt Vertrauen, auch in den Umwälzungen, Digitalisierung oder Flüchtlingswelle, hilft Beständigkeit und Vertrauen? Ich mag da nicht so ganz folgen, aber es ist ein hübscher Ansatz.
Für ein rundum hübsches Werk 5 Sterne
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