„Lydia ist tot. Aber das wissen sie noch nicht.“
Mit diesen beiden Sätzen beginnt Celeste Ng ihren Debütroman „Was ich euch nicht erzählte“, der als deutsche Erstausgabe 2016 im dtv Verlag erschienen ist.
Der Tod von Lydia – einem von drei Kindern der Familie Lee – steht am Anfang dieses Romans. Der zweite Satz lässt uns Lesende gleich vermuten, dass wir mehr wissen, als die Personen, die im Roman agieren: für die Familie Lee nämlich beginnt der Tag am 3. Mai 1977 einfach damit, dass Lydia nicht pünktlich zum Frühstück erscheint ….
Ng entfaltet in diesem Familienroman die verschiedenen Perspektiven und Gefühlswelten der Familienmitglieder. Vater Lee, Wissenschaftler und Universitätsdozent ist chinesischer Abstammung und sieht sich mit den Erwartungen der amerikanischen Gesellschaft konfrontiert, die er nicht zu erfüllen glaubt. Marilyn Lee, seine amerikanische Frau, hat ihre berufliche Karriere für die Familie geopfert und hadert mit dieser Entscheidung. Dafür ist sie, was ihre Kinder angeht, umso ehrgeiziger. Die Geschwisterkinder haben jeweils ihren Platz im Familiengefüge. Und erst ganz allmählich erfahren wir, was mit Lydia passiert ist.
In dieser behutsam erzählten Geschichte, die aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet wird, geht es um das Fremd-Sein – in einem fremden Land und einer fremden Kultur, um das Fremd-Sein innerhalb der eigenen Familie, es geht um unausgesprochene Erwartungen, verletzte Gefühle, Fehlinterpretationen, Tragik. Letztendlich aber auch um persönliches Wachstum und ums Verzeihen.
Eine beeindruckende Geschichte, feinfühlig erzählt.
Für mich ein Lese-Highlight, das ich uneingeschränkt empfehlen kann.
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