Wunscherfüllung

Das Leben der Wünsche | Thomas Glavinic besprochen von Janina am 5. Mai 2018.

Bewertung: 4 Sterne

Jonas, Mitte Dreißig, verheiratet, zwei Kinder, Geliebte, mittelmäßiger Job in einer Werbeagentur – also der Durchschnittsmann schlechthin – trifft auf einen Mann, der behauptet ihm drei Wünsche erfüllen zu können. Dem alten Märchenmotiv folgend, wünscht sich Jonas, daß alle seine Wünsche in Erfüllung gehen. In den folgenden Wochen geschieht nicht viel. Jonas wünscht sich Wohlstand und Weltfrieden. Nichts passiert.
Doch dann scheinen sich Dinge zu verändern, die gewohnten Bahnen zu verlassen. Zunächst steigen Jonas Aktienwerte, die vermutete Wachstumsstörung eines seiner Söhne löst sich auf, positive Dinge also, Dinge, die aber auch nichts mit der Wunscherfüllung zu tun haben müssen.
Allmählich jedoch kippt die Stimmung. An einem Zebrastreifen wird ein Fußgänger, über den sich Jonas gerade ärgert, spontan von einem Lastwagen überfahren. Seine Frau stirbt und macht somit den Weg zu seiner geliebten Marie frei, ein Dammbruch setzt die nächtliche Stadt unter Wasser, der Geliebte seiner Frau stirbt einen grausamen Tod…

Und neben all dem scheint eine seltsame Macht Jonas zu verfolgen, um ihn zu töten. Er wird auf dunkle Feldwege gelockt, sein Auto dabei durchlöchert, er hat mehr als einmal das Gefühl, nicht allein zu sein.

Glavinic erklärt nicht, er beschreibt nur und läßt damit viel Platz für die Gedanken und Interpretationen des Lesers. Gibt es eine höhere Macht, die nicht dulden kann, daß jemand wie Jonas lebt? Wenn ja, gibt es dann auch ein Leben nach dem Tode oder gar mehrere Leben? Was passiert, wenn wirklich unsere tiefsten und innersten Wünsche erfüllt werden, Wünsche, die eigentlich nie das Tageslicht erblicken? Werden wir dadurch glücklicher, wird unser Leben lebenswerter? Können wir unseren Mitmenschen helfen oder zerstört unsere Willkür dabei eher Menschenleben? Wie gottgleich kann und darf der Mensch sein?
Werden überhaupt Wünsche erfüllt? Was genau passiert eigentlich mit und in Jonas‘ Leben?

Der Schreibstil ist klar und flüssig, bewußt schlicht und somit ein Gegenpol zu den beschriebenen Ereignissen, zu Jonas Leben, das sich immer mehr verknäuelt und verwirrt. Nur die Unaufgeregtheit des Autors selber macht es möglich, dem Buch zu folgen, die schnellen Schnitte und Sprünge zu überleben ohne den Faden komplett zu verlieren.

Wenn man sich auf Autor und Buch einläßt, bietet sich ein vielschichtiges Leseerlebnis mit interessanten Interpretationsmöglichkeiten und Fragen zu Glauben, Hoffnungen und Wünschen. Allerdings bleibt auch sehr viel offen und arg in der Schwebe. Dafür bietet die Sprache ein ganz eigenes Lesevergnügen, tatsächlich unabhängig vom Inhalt.

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