Autor: Ingegerd Schäuble
Geb. 1948. Diplom-Soziologin, Supervisorin DGSv (Deutsche Gesellschaft für Supervision), seit 1978 in eigenem Institut in München.
In sozialwissenschaftlichen Forschungen, Supervisionen, Dialogmoderationen und biografischen Arbeiten, aber auch in ehrenamtlichen Engagements in der Friedens- und Frauenbewegung stehen im Zentrum der Reflexion Fragen zur Bedeutung von Geschlechterrollen und Geschlechtszuweisungen sowie zu weiteren geschlechterpolitisch relevanten Themen
zur Herausbildung von Kooperationsfähigkeit und Konfliktlösung in sozialen Zusammenhängen
zur Entwicklung von gemeinschaftssensiblen respektierenden Lebens- und Gesellungsformen.
In allen angesprochenen Bereichen finden sich bis heute Spuren und Prägungen aus der besonderen deutschen Geschichte, v.a. des Nationalsozialismus. Oft wollen sich solche Prägungen einer aufdeckenden Bearbeitung entziehen – ganz besonders, wenn es um Gefühlserbschaften geht, die unausgesprochen auch in den Vorstellungen zu den überkommenen Geschlechterrollen und -strukturen eingeschlossen sind. Daher ist besondere Achtsamkeit nötig beim Aufspüren dieser Erbschaften.
Zunächst in der soziologischen Spurensuche zusammen mit Lerke Gravenhorst stellte sich die Frage, ob und wie Geschlechterrollen und -strukturen in der NS-Zeit gesellschaftsprägend instrumentalisiert wurden. Im transdisziplinären Diskurs der Kolloquium-Gruppe wurden diese sozialwissenschaftlichen Reflexionen fachlich noch erweitert durch den psychoanalytischen, den psychologischen und den künstlerischen Blick. Fatale Männlichkeiten und damit korrespondierende entsprechende Weiblichkeiten, welche eine Gesellschaft maßgeblich strukturieren, gehen in das jeweils geltende Menschenbild ein. So bekommt die Publikation eine Bedeutung auch für diejenigen, die ihren Blick bei der Analyse der heute aktuellen Wanderungs- und Fluchtbewegungen und der weltweiten sozialen Eruptionen diesbezüglich weiten wollen.
Erfahrungshintergrund: Verschiedene Forschungsprojekte/ Moderationsaufgaben/ Supervisionsaufträge/ Teamentwicklungen haben sich mit – oft als heikel empfundenen – Geschlechterrollen-Konstruktionen und Geschlechterstrukturen beschäftigt. Zu nennen sind bspw. Beauftragungen durch Gleichstellungsstellen, Frauenprojekte und Frauenministerien. Aber auch scheinbar neutrale Themen, die vordergründig zunächst nicht ohne weiteres mit Geschlechterrollen oder der Zeit des Nationalsozialismus in Verbindung zu bringen sind, zeigen in der Analyse oftmals solche Bezüge. So werden beim ersten Hinsehen unauffällige Aufgaben, wie z.B. die aktive Gestaltung des eigenen Wohnquartiers oder die kooperative Entwicklung einer positiv tragenden Team-Kultur oft erschwert durch hintergründig wirkende Gefühls-Erbschaften wie Misstrauen, Missgunst, Entwertung, Ausgrenzung. Zurückgeführt auf soziale Prägungen, Schuld- bzw. Schambelastungen als Erbe früherer Generationen, die bearbeitet und durch korrigierende Erfahrungen verändert werden können, lassen sich in unserer Gesellschaft zukunftsgestaltende Prozesse in Gang zu bringen.
Mehr Informationen: http://www.schaeuble-institut.de